Burgen- Leben in engen
und düsteren Steintürmen
1. Einleitung
Unter dem Begriff "Burg"
verstehen wir in der Regel die mit großen, mächtigen Mauern bewehrte
Anlage, von Türmen und Zinnen gekrönt, welche hoch oben auf dem
Berggipfel thront. Burgen wie Neidenstein, Neipperg, Ravensburg
und Steinsberg fallen uns auf Anhieb beim Gedanken an die klassische
"Ritterburg" ein. Weniger bekannt ist, daß der größte
Teil der einstigen Burgen kleine, unauffällige und meist unbedeutendere
Anlagen waren. Diese Burgenbauten waren, im Gegensatz zur romantischen
Vorstellung vieler Burgenliebhaber keine Domizile, in denen man
gemütlich und komfortabel mit einem schönen Blick über malerische
Landschaften leben konnte.
Ulrich von Hutten berichtete
einst über das wahre Burgenleben:
"...von
engen Mauern umschlossen, eingeengt durch Viehställe, Waffenschuppen, Pulverkammern und Geschützstände;
alles voller Pech, Schwefel und Kriegsgerät. Überall im Hause riecht
es nach Pulver, Vieh und Hunden und deren Exkrementen"
Die einstigen Burgbewohner
waren also nicht zu beneiden. Zugig, kalt und feucht waren die Burgen,
oft nur mühselig über steile Wege zu erreichen.
Auch das war ein Grund für das
spätere Verschwinden vieler Burgen.
2. Der heutige Zustand der
Burgen-
Von erhaltenen Burgen, Ruinen und Burgställen
Die noch erhaltene Bausubstanz
der Burgen können wir in drei verschiedene Zustandsformen einteilen,
diese gehen fließend ineinander über, eine exakte Zuordnung mancher
Burgen ist oft nicht möglich.
Bei der erhaltenen Burg
ist die Bausubstanz soweit noch vorhanden, daß diese noch bewohnt
oder genutzt wird. Durch viele Umbauten ist aber heutzutage das
einstige Aussehen der originalen mittelalterlichen Burg oft nur
noch zu erahnen.
Burgen wie Neidenstein, Hornberg
und Guttenberg können wir zu diesen Anlagen zählen.
Durch Kriege oder natürlichen
Zerfall zerstört, stehen bei einer Ruine wie Minneburg, Ehrenberg, Zuzenhausen oder Reichenstein oft nur noch wenige
Mauern oder Turmfragmente. Der Zahn der
Zeit nagt an den Gemäuern und zwischen den Geröll- und Schutthalden
erobert sich die Natur mit Efeuranken und Gestrüpp langsam die einst
befestigten Plätze wieder zurück.
Der größte Teil der einstigen
Burgen (über 55 %) ist heutzutage völlig von der Landschaft
des Kraichgaues verschwunden. Durch Wiederverwendung
der Steine als Baumaterial wurden die Ruinen im Laufe der Jahrhunderte
abgetragen, die Gräben verschüttet.
Landwirtschaft, Straßen- und
Wohnbau zerstörten oft die letzten Spuren der alten Wehrbauten.
Heute erinnert oft nur ein Flurname
wie "Alte Burg", "Bürgel", "Burgweg"
oder "Schloßberg" an diese sogenannten
Burgställe.

Burgstall Alt-Böckingen
über Heilbronn (Unterland) ehemaliger Wall und Graben der Bergspornanlage
noch sichtbar
Bei durch Baumbestand
vor der Erosion und landwirtschaflicher Bearbeitung geschützten
Burgställen in Waldgebieten kann das geübte Auge oft noch Wälle
und Gräben der abgetragenen (abgegangenen) Burg erkennen und die
Umrisse der einstigen Bauwerke erahnen.
Beispiel: Flinsbach
Den Kraichgau kann man
zu den burgenreichsten Landschaften Deutschlands zählen.
Berücksichtigt man dazu die erbauten
Schloßanlagen, standen einst immerhin über 280 Anlagen in dieser
Region. In vielen Kraichgauer Ortschaften sind sogar mehrere Burganlagen
zu finden, z.B. in Helmstadt und Gemmingen jeweils 3 Burgen.
3. Burgen- Von der Erdschanze
zur kleinen Burganlage
3.1 Beispiele des
Burgenbaues vom 10. bis 13. Jahrhundert
Vorwiegend in der ersten
Hälfte des Mittelalters wurden kleinere, vom verteidigungstechnischen
Standpunkt schwächere Burgen erbaut.
Bis zur Einführung des Schießpulvers und der Verwendung
erster Geschütze reichte meistens eine kleine
Anlage um sich vor Angriffswaffen wie Armbrüsten, Bögen und Steinschleudern
zu schützen.
Die unten beschriebenen
Anlagen wurden teilweise auch in der zweiten Hälfte des Mittelalters
erbaut und genutzt, in der hauptsächlich
größere, wehrhaftere Burgenanlagen errichtet wurden. Schon damals
war der Bau eines Gebäudes eine Frage des finanziellen Spielraumes. Der niedere
Adel mußte sich deshalb im späteren Mittelalter oft mit kleineren
Burgen begnügen.
Hauptsächlich diese Burgen sind
heute von der Bildfläche verschwunden, sie waren schneller zerstört und abgetragen als größere
Anlagen oder wurden zu großen Burgen umgebaut.
3.1.1 Die Fliehburg- Letzter Zufluchtsort
in unruhigen Zeiten
Als eine erste Form der
mittelalterlichen Befestigung gilt die Fliehburg, auch Bauern- oder
Volksburg genannt. Wie der Name
sagt, wurde diese Anlage in der Regel von der ortsansässigen Landbevölkerung und nicht vom
Adel erbaut. Meist auf strategisch gut zu verteidigenden Bergspornen
wurden Gräben und Wälle ausgehoben,
Holzpallisaden oder Steinmauern errichtet.
In Kriegszeiten flüchtete sich
die Bevölkerung mit ihrem Vieh in die Fliehburgen, um sich dort
gegen marodierende und plündernde Kriegshorden zu schützen.
Diese Erdbefestigungen sind auch
schon aus vormittelalterlicher Zeit bekannt. Die Harchenburg und
die Frankenschanze auf dem Heuchelberg bei Heilbronn zählen zu diesen
Fliehburgen.
3.1.2 Der Wohnturm-
Verteidigung und Wohnen unter einem Dach
Die kleinste Burgenform
war der Wohnturm. Anfangs oft aus Holz, später aus Stein erbaut,
war der Wohnturm nicht wie der Bergfried größerer Burgen letzter
Zufluchtsort der Burgbewohner, sondern Wohn-
und Wehrbau in einer Funktion. Doch boten die geräumigen Türme,
oft auch nur "feste Häuser" genannt, nur
schlechte Verteidigungsmöglichkeiten.
Um die Wehrhaftigkeit zu erhöhen,
wurden die Türme teilweise auf künstlichen Hügeln,
"Motten" genannt, erbaut. Man nennt sie dann
auch "Turmhügelburgen".
Gräben oder einfache Steinmauern
und Pallisaden boten einen weiteren Schutz. Wohntürme sind
u.a. der Hohenhardter Hof und die heute verschwundene Burg Weiler
bei Aglasterhausen.

Wohnturm
auf Ruine Helfenberg
3.1.3 Die kleine
Wehranlage- Vorstufe zur großen Burganlage
Um die Verteidigungsfähigkeit
der Anlagen weiter zu verbessern und mehr Wohnkomfort zu bieten,
wurden Wohntürme durch Wohngebäude (Palas genannt), Wirtschaftsgebäude
und durch Umfassungsmauern
erweitert, welche den sogenannten Burghof umgaben.
Bei Neuerrichtung solcher Anlagen
wurde anstatt des Wohnturmes ein schlankerer Bergfried erbaut, der
nicht mehr dem Wohn- sondern nur noch Verteidigungszwecken diente.
Eine Variante dieser kleinen
Wehranlage war die Erbauung einer mächtigen, hohen Mauer auf der
Seite der Anlage, welche ein potentieller Feind sich als Angriffsseite
auswählte, da diese z.B. am Hang erhöht lag. Zu diesen sogenannten
Schildmauerburgen zählen
z.B. Stolzeneck oder Zuzenhausen,
oder der erst kürzlich wiederentdeckte Burgstall Flinsbach bei Helmstadt-Bargen.
Schutz bot auch ein Wassergraben um die Burg.
Die sogenannten Wasserburgen
sind z.B. noch in Menzingen und Helmstadt zu finden, wenn auch die
Wassergräben heutzutage bei den meisten Anlagen trockengelegt oder
zugeschüttet sind.
Karte
des Kraichgaues
www.burgen-web.de
.....wir bringen die Steine des Mittelalters zum Reden!
Ergänzende
allgemeine Literatur:
ANTONOW, ALEXANDER: Planung
und Bau von Burgen im süddeutschen Raum; Frankfurt 1993
DERS.: Die Schildmauer bei den Burgen im südwestdeutschen Raum im
13. und 14. Jahrhundert; Stuttgart 1974
BOXLER, HEINRICH: Burgenland Schweiz; Solothurn 1991
EBHARDT, BODO: Der Wehrbau Europas im Mittelalter; Frankfurt 1977
HOTZ, WALTER: Kleine Kunstgeschichte der deutschen Burg;
Stuttgart 1979
KRAHE, F.-WILHELM: Burgen des deutschen Mittelalters; Würzburg
1994
MEYER, WERNER: Burgen; München 1982
DERS.: Deutsche Burgen, Schlösser und Festungen; Frankfurt 1979
SCHMIDT, RICHARD: Burgen des deutschen Mittelalters; 1959
ZEUNE, JOACHIM: Burgen - Symbole der Macht; Regensburg 1997
Burgen im Unterland:
BUCHALI, FRANK: Lexikon
der Burgen und Schlösser im Unterland;
Heilbronn 1996-2012
(c) 1999 by Frank Buchali